02. Apr 2019
Wie entstehen Innovationen und woher kommen Chancen? Im Gespräch mit Rico Baldegger, Professor für Management und Unternehmertum, Direktor der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR) und Multiunternehmer, wollten wir Antworten auf diese Fragen finden.
Dieser Artikel von Nadia Mykhalevych wurde erstmals im Seedstars Magazin veröffentlicht.
Wir glauben oft, dass Innovation etwas ist, das in Industrieländern geschieht, während die Herstellung in die Schwellenländer ausgelagert wird. Dabei ist das gar nicht der Fall. Immer mehr Schweizer Unternehmen suchen gezielt in Schwellenländern nach Innovationen oder passen ihr Innovationsverhalten auf die Bedürfnisse der Menschen in Schwellenländern an. Beispielsweise lassen sich in einem Schwellenland mit adaptiven Innovationszyklen grosse Chancen ausmachen. Es muss nicht immer Technologie oder Spitzentechnologie sein. Ein lokales Netzwerk und internationales Know-how, damit sie lokal und global handeln und sich an den lokalen Markt anpassen können – das ist die grösste Herausforderung, der sich Start-ups mit wenig Expertise und einer kleinen Belegschaft gegenübersehen. Zweitens sind Flexibilität und Geschwindigkeit für Start-ups grundlegend. Es braucht eine lernwillige Einstellung und die Bereitschaft, sich aus der Komfortzone hinauszuwagen. Man muss ein bisschen lokal und ein bisschen global sein. Diese Fähigkeiten stellen für ein Start-up wichtige Vorteile dar. Drittens finden Innovation und Veränderungen weltweit statt. Es ist daher nicht immer leicht, den richtigen Ort für Innovation zu finden. China investiert derzeit intensiv in neue Projekte und Innovationen, zum Beispiel im Bereich der künstlichen Intelligenz. Es ist inzwischen sehr schwierig, diese Veränderungen vorherzusehen, da sie schnell und an jedem beliebigen Ort auftreten können.
Ich glaube, Innovation geschieht, wenn Menschen mit unterschiedlichen Hintergründen und Fähigkeiten gemeinsam an technologischen Entwicklungen unter Berücksichtigung von Kundenbedürfnissen arbeiten. Die Entwicklung neuer Technologien ohne die Berücksichtigung der Kundenbedürfnisse ist wirkungslos. Wir beobachten oft, dass spannende technologische Innovationen von Teams beider Seiten entwickelt werden: den Tech-Experten und Menschen mit Kunden- oder Geschäftsperspektive. Generell ist es schwer, Menschen zu finden, die beide Seiten in sich vereinen. Ich würde daher empfehlen, Ihr Team mit den fehlenden Fähigkeiten und Kompetenzen zu ergänzen.
Ja, Erfolgsgeschichten gibt es viele. Wie lässt sich aber der Erfolg eines Unternehmers messen? Ist es die eigene Zufriedenheit, die Anzahl geschaffener Arbeitsplätze, das beschaffte Kapital, der Umsatz Ihrer Unternehmen? Ich würde sagen: Erfolg entspricht den Auswirkungen, die Sie im Hinblick auf soziale Innovation, Schaffung von Arbeitsplätzen oder den Beitrag zur Gesellschaft haben. Und wie lässt sich der unternehmerische Einfluss definieren? Stellen Sie sich einmal vor, Sie wären ein Surfer. Erstens kommen Chancen in Wellen. Die Herausforderung ist, die richtige Chance zur richtigen Zeit abzupassen. Zweitens müssen Sie nicht nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein – Sie müssen auch in der Lage sein, die Welle zu reiten. Das heisst, dass Ihr Team die Kapazitäten und die Entschlossenheit braucht, um bei der richtigen Gelegenheit eine Innovation zu schaffen.
Natürlich! Solche Beispiele gibt es einige. Eines meiner Lieblingsunternehmen ist der Schweizer Laufschuhhersteller On. In sehr kurzer Zeit gewann das Unternehmen Läufer und Athleten aus der ganzen Welt als Kunden, indem es eine einzigartige Technologie mit IT-basiertem Vertrieb und Verkauf kombinierte. Einige der wichtigsten Aspekte für den Erfolg sind ein dynamisches und flexibles Gründerteam mit mehrdimensionalen und vielfältigen Fähigkeiten, das Strategie, Struktur und Kultur miteinander in Einklang bringen kann, um so das Wachstum zu fördern.
Der unternehmerische Rahmen und das unternehmerische Ökosystem der Schweiz funktionieren auf sehr hohem Niveau. Die Risikobereitschaft und die Möglichkeiten zur Kapitalbeschaffung sind im Vergleich zu anderen Ländern aussergewöhnlich. Ich sehe jedoch zwei Herausforderungen, was die Unterstützungsleistungen in der Schweiz betrifft: Erstens fehlt es an Unterstützung und Finanzierungsbereitschaft für Unternehmer in Sektoren, die wenig oder gar nichts mit Technologie zu tun haben. Ein Grossteil der Unternehmensfinanzierung fliesst in Life Sciences und Technologie. Dabei gibt es auch ausserhalb dieser Sektoren spannende Geschäftsmöglichkeiten. Zweitens – und das ist die grösste Herausforderung – ist der Arbeitsmarkt in der Schweiz sehr sicher und bietet viele Gelegenheiten für junge und erfahrene Arbeitssuchende. Anders gesagt: Es wird einem nicht leicht gemacht, die eigene Komfortzone zu verlassen und sich auf das Wagnis einer Unternehmensgründung einzulassen.
Die Zusammenarbeit mit Seedstars beispielsweise zeigt unseren Studierenden, dass sie erfinderisch und mit Kreativität, Innovationsfreude und unternehmerischem Ehrgeiz an die Sache herangehen können. Die Hochschule für Wirtschaft Freiburg zeigt ihnen, was es wirklich heisst, ein Unternehmen zu leiten. Wir bemühen uns, das Unternehmertum realistisch darzustellen. Wir glauben auch, dass Führungskräfte von morgen soziale Fähigkeiten und multikulturelle Erfahrungen benötigen, um auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Zu guter Letzt muss man als Unternehmer sein Produkt oder Dienstleistungen verkaufen können und Menschen führen. Die wichtigsten Aspekte sind daher: Sales, Sales, Sales und emotionale Intelligenz.
Die Zusammenarbeit der Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR) mit Seedstars fusst auf unserer Vision eines positiven Beitrags durch die Studierenden und Partner, die von unseren Programmen und Aktivitäten in unseren drei Kernkompetenzen profitieren: Unternehmertun, Innovation und Internationalisierung. Seedstars unterstützt alle drei dieser Bereiche.