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News der HSW Freiburg

Unternehmertum Schweiz im Fokus - Ergebnisse des GEM 2017/2018

04. Jul 2018

Trotz ausgereifter Gründungskultur bleibt die Gründungsrate in der Schweiz (8.5%) unter dem Durchschnitt vergleichbarer Länder (9.2%). Ist die Gründung erfolgt, sind damit einerseits hohe Wachstumserwartungen bezüglich Mitarbeitereinstellungen verbunden, andererseits geben wenige ihr Gründungsprojekt auf. Dies sind zwei Resultate des neuesten Länderberichtes Schweiz des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), der grössten internationalen Studie zu Unternehmertum. Die Ausgabe 2017/2018 verfasste die Hochschule für Wirtschaft Freiburg (HSW-FR) mit den Partnern SUPSI, Swiss Start-up Factory (SSUF) und Swiss Economic Forum (SEF). In der Studie wurden über 2.400 Personen schweizweit befragt.

Die Rahmenbedingungen für die Gründung eines Unternehmens sind in der Schweiz besser als in vergleichbaren Ländern. Dessen ungeachtet haben sich in den vergangenen Jahren nur 8,5% der Schweizer ins unternehmerische Abenteuer gestürzt. Dies ist ein leichter Anstieg (+ 0,3%) im Vergleich zum Vorjahr, dennoch klassiert sich die Schweiz unter dem Durchschnitt vergleichbarer innovationsbasierter Volkswirtschaften (9,1%) wie etwa den Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien. Indes hat sich die Gründungsrate seit 2015 um 1.2% gesteigert hat.

Hohe Wachstumserwartung und Job Creation

Die Qualität der Lancierung von Unternehmensideen im internationalen Vergleich ist erkennbar, insofern der Anteil an Gründungen aufgrund guter Opportunitäten überdurchschnittlich hoch ist (67,6%), während solche aus der Not heraus nur 13.9% betragen. Dies legitimiert zum einen, dass die Gründer tendenziell hohe Wachstumserwartungen hegen; ein Drittel möchte in den nächsten 5 Jahren, sechs und mehr Personen einstellen. Dies ist nicht nur der höchste Wert aller europäischen Länder, sondern gleichzeitig das höchste Resultat seit dem Beitritt der Schweiz zum GEM-Projekt. Zum anderen beenden tiefe 1.1% der Gründer ihr unternehmerisches Projekt. Die Quote der etablierten Gründer (länger als 3.5 Jahre im Gründungsprozess) ist mit 10.5% markant höher als im Durchschnitt der Vergleichsländer.

Unternehmertum vermehrt als Berufswahl

In der Schweiz kann wie in vorherigen Jahren eine eher hohe Wahrnehmung von Fähigkeiten kombiniert mit einer tiefen Angst vor dem Scheitern (29.5%) verzeichnet werden. 2017 glaubten 42,1% der Schweizer über ausreichend Erfahrung und Kompetenzen zu verfügen, um ein eigenes Unternehmen zu gründen. Aber lediglich für eine Minderheit ist eine Unternehmensgründung eine Option: 53.0% der Bevölkerung betrachtet sie als gute Karrierewahl, in den Niederlanden sind es 81.0%, 65.6% in Kanada, 65,2% in Israel. Jedoch beabsichtigen nur 10,5% der Schweizer, sich in den nächsten drei Jahren unternehmerisch zu betätigen. Dies ist ein höheres Niveau als 2016 (7.9%), aber für innovationsorientierte Volkswirtschaften prägnant unterdurchschnittlich (15.2%) zu veranschlagen. Die unternehmerische Karriere scheint in der Schweizer Bevölkerung auf mehr Akzeptanz zu stossen, aber das Attraktivitätsniveau ist international noch nicht top.

Begeisterung der Jugendlichen als Herausforderung

Bei den Jugendlichen zwischen 18 und 24 Jahren bleibt der Übergang zum Unternehmertum problematisch: Nur 3% der jungen Personen ist derzeit mit einer Geschäftsgründung beschäftigt oder führt ein Start-up. Damit belegt die Schweiz Position 23 (von 24 Ländern) mit Blick auf ähnlich innovationsstarke Volkswirtschaften wie Kanada 17.2%), den Vereinigten Staaten (11.4%) oder den Niederlanden (11.2%). Es stellt sich die sicherlich nicht unberechtigte Frage, ob in der Schweiz zu spät mit unternehmerischen Anreizen und Ausbildungen gestartet wird. Rico Baldegger, Direktor der HSW-FR meint dazu: „Die Jugendlichen sollten schon früher Selbstvertrauen in ihre unternehmerischen Tätigkeiten entwickeln und den Mut für Initiativen aufbringen. Der Erfolg unseres Sommercamps «ADOpreneurs», das wir seit 2016 für Jugendliche von 13 bis 16 Jahren organisieren, dokumentiert ausgezeichnet, dass junge Menschen auf solche Initiativen geradezu warten.“ Das kürzlich durchgeführte Summercamps «SEF Next Gen» des Swiss Economic Forums sei eine logische Weiterführung für ältere Jugendliche.

Frauen weniger unternehmerisch

Die Situationsanalyse aus der Geschlechterperspektive ist aufschlussreich: Frauen sind heute weniger dazu bereit, sich unternehmerisch zu engagieren als vor etwa zehn Jahren. Von 22,9% im Jahr 2003 stieg die Quote auf fast 50% zwischen 2011 und 2014 - eine Zahl nahe an der Parität, was die Männer anbelangt. Sie fiel 2016 einstweilen auf 32,2% und ist 2017 mit 35.4% nur unwesentlich besser. Dies könnte damit zusammenhängen, dass die Finanzkrise von 2008 Frauen dazu bewegt hat, neue Unternehmen ‚aus Not‘ zu gründen. Darüber hinaus hat sich die Situation auf dem Arbeitsmarkt in den letzten Jahren sichtlich erholt und könnte deswegen ihre unternehmerischen Ambitionen geschmälert haben. Die Balance zwischen Arbeit und Familienleben dürfte für diesen bedeutenden Rückgang relevant sein. Im Weiteren beeinflussen Berufs- und Studienwahl der Unternehmerinnen dergestalt, dass sie weniger unterstützt werden. Der Gründungssupport ist eher auf technologische Start-ups ausgelegt, notabene ist die Wahrscheinlichkeit, dass Gründerinnen gefördert werden, tiefer.